In den letzten Jahren hat das Interesse an Fragen nach gelingender Schulentwicklung für besonders belastete Schulen deutlich zugenommen. International gab es diverse Initiativen,
v.a. nach der Einführung von an Bildungsstandards orientierten Bildungsmonitoring- bzw. Qualitätsmanagementsystemen auf System- und Organisationsebene. Schulen, die nicht den Erwartungen entsprechen bzw. im Benchmarking schlechter abschneiden, werden aufgrund dieser Diagnose-Zugänge (z.B. durch die externe Evaluation der Schulinspektion) sichtbar. Fragen der Intervention zu Verbesserungen drängen sich in den Vordergrund der Diskussion. Nach diversen Projekten der Schulentwicklung von besonders belasteten Schulen liegen erste Erkenntnisse vor. Auch im deutschsprachigen Raum kommt das Thema zunehmend auf die Tagesordnung. Bisher haben sich einige wenige Bundesländer dieses Themas angenommen und
entwickelten im Rahmen von Projekten Unterstützungsmaßnahmen. Neben Berlin sind dies zum Beispiel noch die Stadtstaaten Hamburg und Bremen. Der Bedarf nach einer gelingenden Qualitätsentwicklung in diesen Schulen stellt sich aber auch in anderen deutschen Bundesländern und im deutschsprachigen Ausland wie in Österreich, Liechtenstein und der Schweiz. So hat sich beispielsweise in der Schweiz die Kantonale Kadervereinigung der deutsch- und mehrsprachigen Kantone 2009 dem Thema im Rahmen eines Sommersymposiums gewidmet.
Dass das Thema „Schulentwicklung in belasteter Lage“ auch auf Systemebene zu verorten ist und nicht nur die Organisationsebene betrifft, wird v.a. aufgrund der Befunde der bisherigen Forschungs- und Evaluationsprojekte deutlich und zeigt sich auch daran, dass sich die Schulverwaltung bzw. die Schulaufsicht als zentrale Akteure im Schulsystem diesem Themenkomplex zunehmend zuwenden. 2012 ist eine Ausgabe der SchulVerwaltung spezial zum Thema „Failing Schools – besonders belastete Schulen“ mit Beiträgen vieler Experten erschienen (vgl. Huber, 2012).
Mit Blick auf die internationale Diskussion sind gerade in den USA (z.B. No Child Left Behind Act, 2002) und England „Failing Schools“ und die Diskussion um den gelingenden „Turnaround“ ein öffentliches Thema geworden und Gegenstand bildungspolitischer Interventionen. Dort ist das Interesse an nicht wirksamen, ineffektiven Schulen, deren Schülerinnen und Schüler als nicht erfolgreich gelten, stark gestiegen. Eine spezielle Teilgruppe von ineffektiven Schulen, „Failing Schools“ genannt, steht dabei im Mittelpunkt. „Failing Schools“ sind kein Einzelfall, der Handlungsbedarf ist offensichtlich. Die Unzufriedenheit in dysfunktionalen Schulen wird auch von Lehrkräften thematisiert, denn natürlich leiden auch sie darunter.
Der Terminus „Failing Schools“ hat sich in den letzten Jahren international etabliert. Je nach Land wird er unterschiedlich definiert. Weitere Begrifflichkeiten im internationalen Diskurs sind: „schools in need of improvement“, „underperforming schools“ bzw. „low-performing schools“, „schools in decline“, „troubled schools“ oder einfach „ineff ective schools“ (vgl. Murphy & Meyers, 2008). Ebenfalls in den letzten Jahren etabliert hat sich der Terminus „School Turnaround“, der aus anderen Handlungsfeldern übernommen wurde, v.a. aus dem wirtschaftlichen Kontext, wo es um radikale Organisationsveränderungen geht.
Doch wie ist nun solchen „Failing Schools“ zu helfen, welche Entwicklungsmaßnahmen vermögen es, sie aus der Schieflage zu befreien? Mittlerweile wissen wir: Mit den bisherigen Unterstützungsangeboten der Schulentwicklung ist nicht zwingend den Schulen geholfen, die meist nicht in der Lage sind, entsprechende Angebote zu erkennen und für ihre eigene Entwicklung zu nutzen, weil ihnen zum Beispiel die erforderliche Handlungskompetenz fehlt. Zudem liegen für solche Schulen geeignete zielorientierte und ressourcenschonende Angebote in den Schulsystemen womöglich gar nicht in adäquater Form vor. Vor diesem Hintergrund erscheint es außerordentlich wichtig, Erkenntnisse aus vorhandenen Projekten und ihrer Erforschung zusammenzustellen und Wissen für die Schulentwicklungsarbeit mit besonders belasteten Schulen zu erarbeiten. Dies ist auch wichtig, da aufgrund unterschiedlicher Systembedingungen und Kulturen nicht unbedingt Erkenntnisse aus dem Ausland auf die spezifische Situation in den deutschen Bundesländern übertragbar sind. Andererseits sind die Erfahrungen besonders im Ausland sehr aufschlussreich und bieten Anlass, auf den jeweiligen Systemkontext Projekte zu adaptieren.
Vor diesem Hintergrund wird im Artikel vor allem der Stand der internationalen Forschung zu besonders belasteten Schulen vorgestellt, Merkmale dysfunktionaler Schulsituationen zusammengefasst, die Dynamik des Scheiterns beschrieben sowie Schulentwicklungsstrategien für „Failing Schools“ skizziert.
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